Die Traktandenliste der Generalversammlung 2024 von Novartis hält für die Aktionärinnen und Aktionäre eine unliebsame Überraschung bereit: Die ab diesem Jahr obligatorische Abstimmung über den Nachhaltigkeitsbericht wird konsultativ und nicht bindend sein. Für Ethos widerspricht dieser Entscheid dem Sinn des Gesetzes und den Interessen der Aktionärinnen und Aktionäre. Eine weitere unangenehme Überraschung: Die Vergütungen der Führungskräfte steigen erneut an.
Die Saison der Generalversammlungen (GV) börsenkotierter Unternehmen steht vor der Tür. Dieses Jahr wird eine wichtige Neuerung auf den Einladungskarten der grossen in der Schweiz kotierten Unternehmen stehen: die Abstimmung über den Nachhaltigkeitsbericht, wie ihn das neue Obligationenrecht verlangt.
Wie jedes Jahr gibt Novartis am Dienstag, 5. März, in Basel den eigentlichen Startschuss für die GV-Saison in der Schweiz. Die diese Woche veröffentlichte Traktandenliste des Pharmakonzerns hält für die Aktionärinnen und Aktionäre eine unangenehme Überraschung bereit. Über den Nachhaltigkeitsbericht des Unternehmens soll nur konsultativ und nicht bindend abgestimmt werden. Für die Ethos Stiftung ist dieser Entscheid schwierig zu verstehen. «Eine Konsultativabstimmung hat nicht dasselbe Gewicht und dieselbe Bedeutung wie eine bindende Abstimmung», betont Vincent Kaufmann, Direktor von Ethos. «Dieser Entscheid ist völlig unverständlich und widerspricht dem Sinn des Gesetzes, den Statuten von Novartis und dem Interesse des Aktionariats».
Gemäss verschiedenen Rechtsgutachten, die Ethos eingeholt hat, besteht kaum ein Zweifel, dass der Nachhaltigkeitsbericht einer bindenden Abstimmung unterstellt werden muss. Im Gegensatz beispielsweise zum Vergütungsbericht, für den das Gesetz eine Konsultativabstimmung vorsieht. Der neue Artikel 964 des Obligationenrechts sieht vor, dass der Bericht über nichtfinanzielle Aspekte von demselben Organ genehmigt werden muss, dass auch für die Genehmigung der Jahresrechnung zuständig ist. Dies ist die Generalversammlung der Aktionärinnen und Aktionäre. Es gibt keinerlei Hinweis auf eine Konsultativabstimmung.
Novartis argumentiert auf Anfrage von Ethos, der Nachhaltigkeitsbericht dokumentiere die Nachhaltigkeitsstrategie des Unternehmens, welche Teil der Gesamtstrategie sei und als solche zu den unübertragbaren Aufgaben des Verwaltungsrates gehöre, die nicht an die Generalversammlung delegiert werden könnten. Für Ethos ist dieses Argument nicht stichhaltig. Wäre dies der Fall, wie lässt es sich dann erklären, dass der Jahresbericht und die Jahresrechnung, die auch über die Massnahmen des Verwaltungsrates im Zusammenhang mit der Unternehmensstrategie berichten, den Aktionärinnen und Aktionären zur bindenden Abstimmung vorgelegt werden können? Dies ist jedoch bei allen in der Schweiz kotierten Unternehmen der Fall. Zudem hält Art. 17 der Statuten von Novartis fest, dass die Genehmigung des Berichts über nichtfinanzielle Belange «der Generalversammlung vorbehalten» sind.
Die Ethos Stiftung fordert Novartis deshalb auf, wenn schon nicht für dieses Jahr, so doch wenigstens für nächstes Jahr die Situation zu korrigieren und den Nachhaltigkeitsbericht den Aktionärinnen und Aktionären zur bindenden Abstimmung vorzulegen. Ethos appelliert zudem an alle von den neuen Bestimmungen des Obligationenrechts betroffenen Unternehmen, den Sinn des Gesetzes zu respektieren.
Rückkehr exzessiver Vergütungen
Die Abstimmung über den Nachhaltigkeitsbericht ist jedoch nicht die einzige Überraschung, die die Aktionärinnen und Aktionäre von Novartis erwartet. Nachdem Novartis in den letzten Jahren den Spitzenplatz bei den exzessiven Vergütungen an den Nachbarn Roche abgegeben konnte, steigen die Vergütungen der Geschäftsleitung nun wieder an. Für das Jahr 2023 und unter Berücksichtigung der auslaufenden langfristigen Vergütungspläne für die Periode 2021-2023 beläuft sich die Gesamtvergütung des CEO nun auf über CHF 16 Millionen. Ein Ende dieses Trends ist leider nicht in Sicht. Die Änderungen des Vergütungssystems werden es dem CEO erlauben, eine gesamte variable Vergütung zu erhalten, die maximal dem Elffachen seines Grundgehalts entspricht.
Wie üblich wird Ethos fünf Tage vor den Generalversammlungen alle ihre Stimmempfehlungen für die in der Schweiz kotierten Unternehmen auf der Ethos Website publizieren.